Philipp Poisel ist für seine emotionalen Liebesballaden bekannt. „Halt mich“, „Liebe meines Lebens“, „Ich & Du“ und „Ich will nur“ gehören wohl zu seinen bekanntesten Liedern. Mit seinen außergewöhnlichen Texten und leicht einprägsamen Melodien gehört er zu meinen liebsten deutschen Musikern. „Roman“ heißt nun eines seiner neuesten Meisterwerke und als Bücherwurm hat es mir das Lied nach den ersten paar Zeilen sofort angetan. Doch er singt nicht, wie man zuerst vermuten könnte, von der Liebe zum Schreiben, sondern benutzt die bekannteste literarische Gattung als Ausdruck seiner tiefen Verbundenheit. Und da kam bei mir die Frage auf: Inwiefern kann man ein Buch – einen Gegenstand – als Liebesbeweis darstellen?
Fett gedruckt auf allen Seiten,
in Versalien jedes Wort.
Sollst mich nicht flugblattgleich verbreiten,
will sicher stehen an einem Ort.
In seinem Lied geht Philipp Poisel auf eine der ältesten Kommunikationsformen zurück – das Schreiben. Wahrscheinlich hat jeder von uns schon einmal einen Liebesbrief geschrieben. Dabei ist es völlig egal, ob es sich um die Standardform „Willst du mit mir gehen? Ja. Nein. Vielleicht.“ handelt, oder ob man seine Gefühle in Form eines Gedichts verpackt hat. Wichtig ist, dass man den Mut hatte, seine Liebe in Worte zu fassen. In „Roman“ geht der Sänger allerdings noch einen Schritt weiter. Er schreibt nicht nur ein paar Zeilen nieder, er verfasst ein ganzes Buch und treibt es auch hier bis ins Extreme: jedes Wort ist fett gedruckt und besteht ausschließlich aus Großbuchstaben. Es scheint so, als wolle er auf seine Gefühle aufmerksam machen, als würde er sie „in die Welt hinausschreien“, doch stattdessen stehen sie wohlbehütet im Bücherregal seiner Auserwählten. Einzig und allein für sie sind seine Worte und seine Zuneigung bestimmt – so wie ein Roman, der in meinem Zimmer steht und dessen Seiten ich lesen kann, wann immer ich möchte.
Ich will ein Roman sein
auf den Seiten deines Lebens.
Geschrieben mit Tinte, schwarzer Tinte
aus deinem Herz.
Ich will ein Orkan sein,
keine kurze Geschichte,
ein Manifest, für das du aufstehst in der Nacht.
Genauso wie das Leben aus mehreren Stationen besteht, besteht ein Roman aus mehreren Seiten – das weiß jeder. In seinem Lied singt Philipp Poisel davon, dass er am Leben seiner Angebeteten Teil haben möchte. Er will die Welt durch ihre Augen sehen, möchte ihre Erfahrungen miterleben und gemeinsam durch jedes Hoch und Tief gehen. Genau wie in einem Roman, möchte er bei den verschiedenen Kapiteln ihres Lebens dabei sein und sich nicht nur auf einen Abschnitt begrenzen. Ihr gemeinsames Leben soll keiner Kurzgeschichte gleichen, sondern von Prolog bis Epilog will er gemeinsam mit ihr die Seiten füllen. Mit Hilfe von stilistischen Mitteln gelingt es Philipp Poisel den Roman als Liebesbeweis sehr geschickt darzustellen. Er verwendet einen Gegenstand als Personifikation (er beschreibt sich selbst als Buch) und benutzt dessen Inhalt im übertragenen Sinne: die Seiten sind Metaphern für das Leben, die Tinte steht für die Erfahrungen, die er gemeinsam mit seiner Auserwählten gesammelt hat.
So wie Robinson und Freitag
auf einer Insel irgendwo.
So wie Romeo und Julia,
Sommerregen, Sommernachtstraum.
Doch nicht nur Personifikationen und Metaphern werden für die Anschaulichkeit verwendet. Mit Hilfe von Vergleichen schafft es Poisel, die Liebe zwischen sich und seiner Angebeteten zu verdeutlichen. Er benutzt Romeo und Julia, das wohl bekannteste Romanpaar der Geschichte und setzt es mit seiner Liebe gleich. Warum außerdem Robinson und Freitag gewählt wurden, kann ich mir allerdings nicht erklären. Sie sind weder ein Liebespaar, noch können sie in irgendeiner anderen Form mit Romantik in Verbindung gebracht werden – Elizabeth und Mr. Darcy, Jorinde und Joringel oder Tristan und Isolde hätten hier vielleicht eher gepasst. Doch auch indem er die Lebensumstände beschreibt und dadurch jedem Zuhörer ein Bild vor Augen erscheint, können die angesprochenen Bücher und ihre Geschichten für wahre Liebesbeweise gelten: Gemeinsam auf einer einsamen Insel haben Robinson und Freitag ums Überleben gekämpft, waren vielleicht nicht ineinander verliebt, doch ihre Freundschaft hat sie am Leben erhalten. Und auch die Zweisamkeit von Romeo und Julia hielt nur wenige Tage, doch ihre turbulente Geschichte und Aufopferung für einander bleibt vielen als größte Liebesgeste in Erinnerung.
„Roman“ ist ein weiterer, wundervoller Song von Philipp Poisel. Auf vielleicht etwas ungewöhnliche Art und Weise beschreibt er seine Liebe zu einer anderen Person. Das Buch als solches rückt dabei etwas in den Hintergrund, schließlich besingt er nicht den Roman selbst, sondern benutzt dessen Schreibweise, Aufbau und Inhalt im übertragenen Sinne. Aber gerade aus diesem Grund stellt dieser Song einen wunderbaren Kontrast zu den üblichen Liebesliedern dar, die momentan im Radio zu hören sind.
6 comments
ich mag deine text…und ich mag diese lied…
lg wolfgang
Das freut mich wirklich sehr, Wolfgang. Danke dir! 🙂
Sehr toll geschrieben 🙂
Und du hast sogar mich dazu bewegt auf Spotify mir seine Lied und insbesondere das Lied mal anzuhören, ich bin gespannt!
Liebe Grüße, Eileen
Hallo Eileen!
Philipp Poisel ist wirklich ein klasse Musiker. Ich hoffe seine anderen Lieder gefallen dir auch 🙂
Ein sehr gelungener Beitrag von dir. Dein Schreibstil gefällt mir immer wieder. Ich fand es sehr interressant das du diesmal einen Musiktitel interpretiert hast. Mach weiter so.LG Jana
Hallo Jana,
es freut mich sehr, dass dir der Beitrag gefallen hat. Danke fürs Lesen 🙂
Liebe Grüße!